Fakten zu Pflege-DRGs

Aufwertung der Pflege oder alter Wein in neuen Schläuchen?

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Nachdem mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz die Pflege am Bett aus den DRGs herausgenommen wurde und auf eine Finanzierung der tatsächlichen Kosten umgestellt wurde (Pflegebudget), war das Entsetzen der Neoliberalen groß. Drohte doch ein Dominoeffekt, wenn einzelne Berufsgruppen nicht mehr unter die DRGs fallen. Seither mehren sich Vorschläge, diesen »Fauxpas« rückgängig zu machen und sog. »Pflege-DRGs« einzuführen. Pflege-DRGs bedeutet, dass die Kosten der Pflege aus den allgemeinen DRGs ausgegliedert werden und in einem eigenständigen Pflege-DRG-Katalog dargestellt und mit den Krankenhäusern gesondert abgerechnet werden.

So schreibt zum Beispiel der Gesundheitsökonom Jonas Schreyögg: »Daher ist es empfehlenswert, das bisherige Konzept der Pflegeausgliederung im Zuge der Einführung dieser drei Maßnahmen (Differenzierung der DRGs nach Versorgungsstufen, nach geografischen Gegebenheiten und Einführung einer Vorhaltepauschale, d. Verf.) als Gesamtgefüge zu betrachten und weiterzuentwickeln.« (»Bedarfsgerechte Gestaltung der Krankenhausvergütung – Reformvorschläge unter der Berücksichtigung von Ansätzen anderer Staaten«, S. 31) Das ist eine noch relative dezente Andeutung, dass die Ausgliederung der Pflegekosten wieder rückgängig gemacht werden soll.

Da werden Boris Augurzky und Reinhard Busse schon klarer: »So könnte beispielsweise ein größerer Anteil der DRG-Vergütung, etwa ein Drittel, ausgelagert werden – nach einer zuvor zu erfolgenden Wiedereingliederung der Pflegepersonalkosten« (»Richtungspapier zu mittel- und langfristigen Lehren«, S. 48).

Ganz deutlich wird der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen: »Seit 2020 werden Pflegeleistungen außerhalb des DRG-Systems in einem Pflegebudget auf der Basis von Selbstkosten finanziert. Dieser Schritt ist in vielfacher Hinsicht problematisch (Doppelfinanzierung, ‚Pflege putzt wieder Spiegel‘ usw.) und sie ist insbesondere hinsichtlich des Selbstkostendeckungsprinzips weder wirtschaftlich noch nachhaltig. Geht man davon aus, dass die Pflegekosten kurzfristig nicht wieder in die DRG-Vergütung integriert werden, dann gilt es, Konzepte zur adäquaten Finanzierung der Pflegeleistungen zu entwickeln.« (»GKV-Positionen zur Krankenhausversorgung aus den Erfahrungen der Corona-Pandemie 2020«, S. 13)

Eigentlich war die Herausnahme der Personalkosten der Pflege am Bett auf dem Höhepunkt der »Pflegekrise« das Eingeständnis, dass die DRGs als Finanzierungsform versagt haben, weil die systematischen Stellenstreichungen zu einem Ausbluten der Pflege geführt haben und zu den bekannten Folgeerscheinungen (Burnout, Berufsflucht, Nachwuchsmangel). Warum und vor allem wie sollen jetzt Pflege-DRGs an dem etwas ändern, wenn die »allgemeinen« DRGs schon versagt haben?

Wie war es vor Ausgliederung der Pflegekosten?
Seit Einführung der DRGs wurden die Kosten der Pflege auf Stationen genau ermittelt. Sie wurden über die Pflegepersonalregelung (PPR) minutengenau den einzelnen Patienten und damit der jeweiligen Fallgruppe (DRG) zugeordnet. Das ist sogar eine genauere Zuordnung als bei anderen Berufsgruppen. Die Kosten der Ärzte auf Station z. B. werden nur pauschal nach Pflegetagen zugeordnet.
Wie gläsern damit alle Berufsgruppen werden, sieht man am sog. »DRG-Browser« des InEK (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus). Dieses Institut fasst alle Kostendaten der sog. Kalkulationskrankenhäuser zusammen, berechnet die Werte der einzelnen DRGs und legt auch den DRG-Katalog (das Verzeichnis aller DRGs) fest.

Für jede einzelne Fallgruppe (DRG) sind dort alle Kosten, aufgeschlüsselt nach Kostenstellen (z.B. Stationen) und Kostenarten (z.B. Berufsgruppen), aufgeführt. Die Abbildung zeigt die Kostenberechnung für eine Blinddarmentfernung bei schwerer Blinddarmentzündung. Die Kosten der Pflege sind in der Spalte 2 abgebildet. Aus ihr geht hervor, dass (im bundesweiten Durchschnitt) auf Normalstation 628,02 Euro Pflegekosten angefallen sind und auf Intensivstation 93,73 Euro. Die Gesamtkosten für Pflege beliefen sich auf 723,61 Euro, die für Ärzte auf 1.170,28 Euro und alle Kosten beliefen sich auf 4.622,88 Euro. (Siehe Abbildung)

Es bestand also seit Einführung des DRG-Systems 2004 durch »Kostentransparenz« ein hohes Druckpotential, weil die Kosten jeder Abteilung und jeder Station innerhalb eines Krankenhauses, aber auch krankenhausübergreifend sowie bezogen auf jede Berufsgruppe verglichen werden konnten (Benchmarking).


Was ist das Pflegebudget?
Mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz (PPSG) wurde 2018 entschieden, dass die Personalkosten für am Krankenbett tätige Pflegekräfte aus den DRGs ausgegliedert werden und gesondert nach den tatsächlich in jedem einzelnen Krankenhaus entstehenden Kosten von den Kassen refinanziert werden müssen. Sogar Stellenvermehrungen in beliebiger Höhe und alle Tarifsteigerungen fallen unter diese Regelung. Die DRGs wurden also um die Pflegekosten bereinigt und die rechnerischen Gesamtkosten einer DRG sanken um den entsprechenden Betrag. Dementsprechend sank auch das sog. Relativgewicht (relativer Wert der jeweiligen DRG im Vergleich zum Durchschnitt aller DRGs) aller DRGs um den Anteil der Pflegekosten. Die Senkung der Relativgewichte belief sich auf etwa 20%. Damit sanken auch die Erlöse der Krankenhäuser über Fallpauschalen um diesen Anteil, weil sich die Vergütung ja aus dem Landesbasisfallwert multipliziert mit dem Relativgewicht ergibt. Dies ist auch sachgerecht, weil sonst eine Doppelvergütung (Pflegebudget und DRGs) entstanden wäre. Ob von den Kassen dann tatsächlich die laufenden Kosten der Pflege refinanziert werden, oder über Streitigkeiten, welche Tätigkeiten als Pflege am Bett anerkannt werden, für wen mit welcher Ausbildung wieviel gezahlt werden muss, am Ende doch weniger herauskommt als vorher, steht noch nicht fest. Zu erwarten ist, dass Häuser mit überdurchschnittlich viel Pflegepersonal finanziell etwas hinzugewinnen, während die Häuser mit besonders wenig Pflegepersonal zurecht Erlöse einbüßen werden. Die Pflegebudgets der einzelnen Krankenhäuser für 2020 sind in den allermeisten Fällen jedoch immer noch nicht vereinbart. Es zeichnet sich auch schon ab, dass bestimmte (vor allem private) Krankenhäuser versuchen, über alle möglichen Tricks andere Beschäftigtengruppen in das Pflegebudget hineinzurechnen oder aber mit Entlassungen auf die Nichtanerkennung als »pflegebudgetrelevante« Beschäftigte reagieren – die ganze unappetitliche Palette von Maßnahmen innerhalb eines gewinnorientierten Gesamtsystems.

In jedem Fall war die Ausgliederung von Pflegepersonalkosten aus den DRGs vom Grundsatz her ein riesiger Fortschritt, weil damit ein Teil der Kosten der Krankenhäuser den Fängen des Preissystems und der marktwirtschaftlichen Steuerung entrissen wurde und stattdessen die einzig richtige Finanzierungsform für Krankenhäuser als Einrichtungen der Daseinsvorsorge wieder eingeführt wurde (sie gab es schon einmal zwischen 1972 und 1985): die vollständige Refinanzierung des notwendigen Bedarfs eines wirtschaftlich handelnden Krankenhauses (»Selbstkostendeckung«).

Was sind Pflege-DRGs?
Die herkömmlichen DRGs um Pflege-DRGs zu erweitern, ist eine einfache Rechenaufgabe, analog zu der bisherigen Berechnung der Relativgewichte: Gesamtpflegekosten aller DRGs geteilt durch Einzelpflegekosten einer DRG ergibt ein »Pflege-Relativgewicht«. Dies kann man dann wiederum mit einem »Landespflegebasisfallwert« multiplizieren und hat die Vergütung, die dann von den Kassen für die jeweilige Pflege-DRG gezahlt werden muss.

Im Prinzip gibt es die Pflege-DRGs schon. Mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz entstand die Frage, wie ein kostendeckendes Pflegebudget denn unterjährig an die Krankenhäuser ausgezahlt wird und welche Kasse davon wieviel zahlen muss. Hierzu wurde der sog. »Pflegeerlöskatalog« entwickelt, der genauso »leistungsbezogen« aufgebaut ist wie der DRG-Katalog und eben die Relativgewichte der »Pflege-DRGs« enthält. Dabei wurde der Weg beschritten, die Relativgewichte pro Tag auszuweisen und auch zu vergüten – was natürlich auch für die Pflege-DRGs möglich wäre. Dies geschah vermutlich aus dem Grund, dass die Verweildauer in vielen Fallgruppen je nach Krankheits- und Behandlungsverlauf sehr unterschiedlich ist und dies sich in der Vergütung niederschlagen sollte. Eigentlich gilt das ja auch für die »Gesamt-DRGs«, aber da hat es niemanden interessiert. Man wollte halt möglichst nahe an »echte« Preise für eine Leistung herangekommen.

Es gibt aber einen grundlegenden Unterschied zwischen dieser Vergütung über den Pflegeerlöskatalog und Pflege-DRGs: Bei den Pflege-DRGs handelt es sich um Preise. Damit werden Gewinne und Verluste möglich und entsprechende Reaktionen der Geschäftsführer unausweichlich (wer will schon in einem marktwirtschaftlichen Wettbewerbssystem Verluste machen oder auf Gewinne verzichten). Beim Erlöskatalog handelt es sich um eine unterjährige und vorläufige Vergütung, im Kern also um eine Abschlagszahlung. Am Jahresende muss dann der Differenzbetrag zu den tatsächlichen Kosten nachfinanziert oder zurückgezahlt werden – echte Selbstkostendeckung halt.

Dass im Pflegepersonalstärkungsgesetz, mit dem das Pflegebudget eingeführt wurde, durch den Pflegeerlöskatalog quasi schon wieder seine Abschaffung vorbereitet wurde, kann als Indiz dafür gewertet werden, dass sich die strategischen Ziele in der Gesundheitspolitik (mehr Markt und Wettbewerb) der Herrschenden zu keinem Zeitpunkt geändert hatten, sondern dass nur angesichts der vielen Proteste der Beschäftigten der Dampf herausgenommen werden sollte. Das kann aber auch (hoffentlich) nach hinten losgehen, wenn mehr Berufsgruppen und auch gesellschaftliche Gruppen auf diese Lösung einschwenken und ein Ende der DRGs fordern.

Doch zurück zu den Pflege-DRGs: Hat man die Relativgewichte, braucht man nur noch den Geldbetrag, mit dem das Relativgewicht multipliziert wird, um die Vergütung der Krankenhäuser zu berechnen. Bei den DRGs ist das der Landesbasisfallwert, der jedes Jahr auf Ebene der Bundesländer zwischen den Kassen und den Krankenhausgesellschaften auf Grundlage gesetzlicher Vorgaben ausgehandelt wird. Genau das müsste dann auch für den »Landespflegebasisfallwert« geschehen. Damit wird eine weitere Stellschraube in das System eingefügt, die beliebig nach politischen Kriterien manipuliert werden kann, anstatt anhand des festgestellten Bedarfs berechnet zu werden.

Die erstmalige Berechnung des »Landespflegebasisfallwerts« würde vermutlich genauso erfolgen wie bei der Einführung der DRGs im Jahr 2004: Es werden die Gesamtpflegekosten im Land durch die Summe der Relativgewichte geteilt. Vermutlich werden dann noch Übergangsfristen vereinbart, in denen die Krankenhäuser Zeit bekommen, ihre Pflegekosten in Etappen an die durchschnittlichen Pflegekosten im Land anzupassen. Da gibt es dann wieder das bekannte Gewinner-Verlierer-Problem, was dazu führt, dass alle noch mehr sparen, um nicht zu den Verlierern zu zählen. Keine guten Startbedingungen für eine Verbesserung der Situation der Pflege.

Dadurch, dass die Pflege-DRGs jetzt gesondert betrachtet werden, mag es zu »Umsortierungen« der bisherigen DRGs kommen, weil statistisch andere Kostengruppen als bei den Gesamt-DRGs gebildet werden müssen/können, damit sie einigermaßen homogen (keine Kostenausreißer) sind. Aber genau wie bei der Berechnung der »Gesamt-DRGs« ändert das nichts daran, dass es sich um reine Umschichtungen handelt. Was die eine DRG an Relativgewicht verliert, muss zwangläufig (aufgrund der Berechnungsmethode) bei einer anderen dazu kommen. Die Summe der Relativgewichte bleibt gleich und das gilt natürlich auch für das einzelne Krankenhaus, wenn es nicht in seiner Patientenzusammensetzung von der durchschnittlichen Zusammensetzung aller Krankenhäuser abweicht. Ist dies der Fall, gibt es wieder eine Gewinner-Verlierer-Problematik.

Man sieht: Bis hierher hat sich eigentlich überhaupt nichts geändert, geschweige denn verbessert. Hinzu kommt, dass sämtliche ökonomischen Wirkmechanismen der DRGs (Kostendumping, Mengenausweitung, Patientenselektion) weiter in Kraft sind, nur noch differenzierter und näher an der Pflege. Der Druck auf die Pflege wird dadurch mit Sicherheit weiter steigen.

Von Seiten diverser Organisationen, vor allem der Führungskräfte in der Pflege, wird seit Jahren das Hohelied der Pflege-DRGs gesungen – eigentlich kaum verständlich, denn wie soll sich unter Beibehaltung derselben Preis- und Marktlogik wie bei DRGs wirklich etwas ändern?

So schrieb z.B. die »Fachgesellschaft Profession Pflege« im Jahr 2018 unter der Überschrift »Pflege wird ihrer Stimmen im DRG-System beraubt«: »Die Fachgesellschaftsmitglieder zeigten sich über den möglichen Verlust der Fähigkeit zur Abbildung pflegerischer Leistungen betroffen und fordern einhellig, dass Pflege weiterhin Teil der Fallpauschalen bleibt und damit eine differenziertere Abbildung von Pflege im Pflegeerlöskatalog möglich ist und über diesen Weg unterschiedliche Pflegebedarfe sichtbar werden.« An anderer Stelle heißt es: »Hier empfiehlt die Fachgesellschaft die Einführung und Entwicklung von »Nursing related groups« (NRGs).« Nursing Related Groups ist die englische Bezeichnung für Pflege-DRGs.

An wieder anderer Stelle heißt es: »Vom Kostenfaktor zum Erlösfaktor (…) Nursing related groups – keine Personalkostenvergütung, sondern Leistungsvergütung.« Gefordert wird: »Anreizsetzung für eine aktivierend therapeutische Pflege durch eine eigene Vergü-tungssystematik (NRGs)«.

Der Bundesverband Pflegemanagement schreibt in seiner Friedrichshafener Erklärung von 2015: »Zwischen Pflegeleistungen und Erlösen gibt es diesen unmittelbaren Zusammenhang nicht. Zwar sind die Pflegeleistungen im DRG-System abgebildet, aber eben nur als ein Faktor innerhalb des Gesamterlöses. Das bedeutet, dass kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Erwirtschaften von Case-Mix-Punkten und den Pflegeleistungen gesehen wird. Pflege wird im System Krankenhaus daher nahezu ausschließlich als Kosten-faktor betrachtet.« Er fordert: »Auf dieser Basis muss ein System entwickelt werden, mit dem das Prinzip ‚Geld nach Pflegebedarf‘ gebildet wird.«

Auch die ehemalige Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Müller, spricht sich eindeutig für die Einführung von NRGs aus (»Ein neues Zeitalter einläuten«).

Die Befürworter schielen auf folgenden Effekt: Zwar kann man die Kosten der Pflege jetzt schon detailliert zuordnen (s.o.), aber nicht die Erträge. Der Erlös einer Fallpauschale wird ja wesentlich von Diagnosen und Prozeduren getriggert, aber nicht von Pflegeleistungen. Hier bedienen sich die Controlling-Abteilungen der Krankenhäuser bisher einer »Näherungsrechnung«. Normalerweise werden die Erträge auf die Abteilung/Station heruntergebrochen und dort den Kosten gegenübergestellt. So kann man im Detail sehen, welcher Bereich Gewinne/Verluste macht. Auch das übt natürlich schon ziemlichen heftigen Druck auf Abteilungen und Stationen und damit auch auf die Pflege aus.

Durch die Pflege-DRGs könnte man die Kosten der Pflege ganz konkret und für jede Station/Abteilung den jeweiligen Erträgen aus Pflegeleistungen gegenüberstellen. Die Pflegeverbände meinen, dass das zu einem höheren Ansehen der Pflege und zur Stärkung ihres Gewichts im Verhältnis zu anderen Berufsgruppen führen würde – nach dem Motto: »Jetzt sieht man endlich, wie viel wir zum finanziellen Erfolg beitragen«. Bloß, wenn man sich die Geschichte der DRGs und ihre Folgen ansieht, ist es ja eher unwahrscheinlich, dass die Pflege pauschal »Gewinne« erwirtschaftet und vor allem nicht jede Station/Abteilung. Anfang 2021 schreiben über 50% der Krankenhäuser Defizite. Also wird wieder der Druck auf die defizitären Bereiche massiv steigen, Kosten einzusparen. Und auch der Druck auf die anderen Berufsgruppen wird höher, denn wenn und insoweit in der Pflege Gewinne realisiert würden, wären ja die anderen die Verlustbringer.

Noch ein Aspekt ist, dass der Konkurrenzdruck der einzelnen Bereiche und Berufsgruppen untereinander noch weiter ansteigen wird: Nicht nur Kosten-Benchmarking, sondern auch noch Erlös-Benchmarking. Jeder gegen Jeden wird zur allgemeinen Maxime. Es bleibt ein Rätsel, was daran ein Fortschritt sein und die Situation der Pflege verbessern soll.

Noch eine Frage: Ist es überhaupt sinnvoll, in diesen »Kosten-Erlös-Wettbewerb« einzutreten? Ist es sinnvoll, sich auf dieser Ebene vergleichen zu wollen? Was hat das mit dem Berufsbild und der Berufsethik zu tun? Und wo bleibt die Frage, wie es mit der Qualität der Behandlung aussieht? Wäre das nicht ein besseres Feld, um mehr Anerkennung zu erlangen?

Die Kritik von Pflegefachverbänden an Arztzentriertheit und Hierarchien im deutschen Gesundheitswesen ist vollkommen berechtigt. Die Frage aber ist, welche Konsequenz man fordern soll. Aufwertung der Pflege in einer korporatistischen, ständischen Konkurrenz der Berufsgruppen oder mehr Kooperation zur Verbesserung der Behandlungsqualität und zum Wohl der Patient*innen? Wie werden Berufsbild und Berufsethik, die fachliche Professionalität des Pflegeberufs gestärkt und weiterentwickelt?

Und wer glaubt, dass es über Pflege-DRGs leichter wäre, Geld für die Pflege zu akquirieren (nach dem Motto: »Das haben wir erlöst, das steht uns zu«), hat nicht begriffen, wie Marktwirtschaft funktioniert: Erlöse wurden noch nie gerecht verteilt, sondern nach wirtschaftlichen Erwägungen und Profitinteressen. Auch bisher hat sich keine Geschäftsführung davor gescheut, Gelder, die die Kassen für die laufenden Kosten (im Wesentlichen Personalkosten) überwiesen haben, anderweitig zu verwenden. Sie haben damit Baustellen finanziert auf Kosten der Personalstellen. Es gibt also keinerlei Garantie, dass das Geld auch wirklich bei der Pflege ankommt.

Schlussfolgerungen
> Viel wichtiger als Pflege-DRGs wäre die Einführung einer gesetzlichen, bedarfsgerechten Personalbemessung mit voller Refinanzierung. Das würde die Lage der Pflege deutlich mehr verbessern als das »Herumdoktern« an den DRGs. Obwohl sich ver.di, Deutsche Krankenhausgesellschaft und Pflegerat auf eine solche Personalbemessung (PPR 2.0) geeinigt haben, blockieren Spahn und die Kassen – klar, sie wollen die Pflege-DRGs, und wenn wir etwas anderes wollen, müssen wir darum kämpfen.

> Pflege-DRGs sind Preise, genau wie die bisherigen DRGs. Sie sind unvereinbar mit den Anforderungen an die Einrichtungen der Daseinsvorsorge und mit den Interessen der Beschäftigten an guten Arbeitsbedingungen und guter Bezahlung. Die Pflege-DRGs dürfen nicht eingeführt werden und die DRGs müssen abgeschafft werden.

> Notwendig ist die Einführung einer bedarfsgerechten und kostendeckenden Finanzierung der Krankenhäuser.