Vernetzungstreffen für eine solidarische Gesundheitsversorgung
9. – 11. Oktober, Göttingen
Die vom ehemaligen Gesundheitsminister Lauterbach mit großen Tönen angekündigte Krankenhausreform wurde letztes Jahr in Form des euphemistisch bezeichneten „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz“ (KHVVG) vom Bundestag verabschiedet. Spätestens seitdem ist klar, dass es keine „Revolution“ und keine „Entökonomisierung“ (Lauterbach) geben wird. Die DRGs werden nicht abgeschafft und auch die neue Vorhaltevergütung, die sie ergänzen soll, ist leistungsabhängig und damit alles andere als eine – wie der Name suggeriert – sachgerechte Vergütung von Vorhaltekosten. Stattdessen stehen Zentralisierung und Konzentration auf der Tagesordnung mit einer weiteren Forcierung von Krankenhausschließungen und damit einer weiteren Verschlechterung der flächendeckenden Versorgung. Auch jetzt geplante Änderungen der neuen Bundesregierung werden hieran nicht viel ändern, wie dies der Referentenentwurf des „Krankenhausreformanpassungsetz“ (KHAG) deutlich macht. Umnebelt und legitimiert wird dieses neoliberale Kahlschlagprogramm durch wohlklingende Begriffe wie „Verbesserung der Versorgungsqualität“ und „Bedarfsplanung“, die leider auch von vielen Medien unkritisch übernommen werden. Wenn Leistungen nur noch an wenigen Standorten angeboten werden steigt nicht die Qualität, sondern die Wartezeit für die Patient*innen. Die „Bedarfsplanung“ der Länder wiederum, die das Ganze umsetzen sollen, besteht darin, wie dies erste Beispiele aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zeigen, politisch vorgegebene Kennzahlen für den Bettenabbau zu errechnen und in intransparenten Verfahren unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit die neuen Leistungsgruppen zu vergeben. Dabei wird auch von einem „Ambulantisierungspotential“ ausgegangen – d.h. dass mehr Krankenhausleistungen in Zukunft ambulant erbracht werden sollen – ohne die dafür unzureichenden ambulanten Strukturen zu berücksichtigen. Die Reform trifft also nicht nur den stationären, sondern auch den ambulanten Sektor. Dies auch durch die geplante Umwandlung vieler kleinerer Krankenhäuser in sogenannte „sektorenübergreifende Versorgungszentren“ (SÜV), die zu einem neuen Tummelplatz und Anlagefeld für private MVZ zu werden drohen.
Daneben ziehen am Horizont schon weitere dunkle Vorhaben der neuen Bundesregierung auf, wie die Diskussion um Leistungseinschränkungen bei den Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) oder die „Kriegstüchtigmachung“ – und damit Militarisierung – der Krankenhäuser befürchten lassen.
Doch es gibt auch hoffnungsvolle Ansätze. Die Beschäftigten wehren sich vielerorts gegen Personalnot und Überlastung und konnten Personalvorgaben erkämpfen (und letztlich auch das nach dem Selbstkostendeckungsprinzip finanzierte Pflegebudget). Bürger*innen haben sich an mehreren von Krankenhausschließung betroffenen Orten zu Bündnissen zusammengeschlossen, die Widerstand leisten. In den Städten haben sich Stadtteilgesundheitszentren gegründet, die die Alternative einer am Gemeinwohl orientierten und demokratisch organisierten ambulanten Versorgung aufscheinen lassen. Organisationen wie Krankenhaus statt Fabrik, das Bündnis Klinikrettung und die Rosa Luxemburg Stiftung leisten beharrlich Aufklärungsarbeit und versuchen dem aggressiven Etikettenschwindel, mit dem die Krankenhausreform verkauft wird, entgegenzuwirken. Wir wollen nun all diese Initiativen und Bündnisse zu einem Vernetzungstreffen zusammenbringen und darüber diskutieren, welche Veränderungen mit der Krankenhausreform einhergehen und welche noch drohen, wie unsere Alternativen aussehen und wie wir diese gemeinsam durchsetzen können.
Wann: 9. – 11. Oktober 2025
Wo: Georg-August Universität Göttingen, 2. OG Verfügungsgebäude, Platz der Göttinger Sieben 7
Für eine bessere Planung des Treffens bitten wir hier um Anmeldung
Programm
Donnerstag, 9. Oktober
Am Donnerstag wird es eine Einführung in das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) und eine kollegiale Beratung zu Krankenhausschließungen geben sowie ein gemeinsames Kennenlernen.
16:00-18:30 Uhr – in Präsenz und hybrid
Basics: Das KHVVG und seine wichtigsten Festlegungen
Raum: VG 2.101
Zoom: https://us02web.zoom.us/j/85490832454?pwd=PIoSaNY0K76h4ROXpqpet2cOeEcTJ6.1
Zum Start wollen wir unser Wissen über das KHVVG auffrischen und uns alle auf den gleichen Stand bringen: Änderungen durch die neue Bundesregierung (Krankenhausreformanpassungsgesetz), Kritik der Regelungen und unsere Vorstellungen und Forderungen für eine bedarfsgerechte Versorgung.
Mit Krankenhaus statt Fabrik
16:00-18:30 Uhr – in Präsenz und hybrid
Kollegiale Beratung: Welche Strukturen können Bürger*innen aufbauen, wenn ein Krankenhaus schließt?
Raum: VG 2.106
Zoom: https://us05web.zoom.us/j/87315545566?pwd=J4NBaLT82bO7tOZTdWqTECbl9bIe6C.1
Nach einer Krankenhausschließung verschwindet nicht nur die wohnortnahe stationäre Versorgung, es werden auch in den meisten Fällen keine Strukturen aufgebaut, um wenigstens breit gefächerte ambulante Versorgung zu gewährleisten.
Anhand konkreter Beispiele wird in dem Workshop über die Möglichkeiten diskutiert, bedarfsnotwendige Versorgungsangebote einzufordern und aufzubauen. Es geht um konkrete Fragen der Rechtsform, der Finanzierung, der demokratischen Beteiligung bei der Bedarfsplanung u.ä.
Mit Bündnis Klinikrettung
Gemeinsames Abendessen
Freitag, 10. Oktober
Am Freitag wollen wir uns einzelne Elemente der Finanzierungs- und Versorgungsstrukturen in Krankenhäusern genauer anschauen und unsere Alternativen dazu diskutieren. Das Ziel ist am Ende gemeinsame Forderungen zu entwickeln.
09:30-11:15 Uhr
Finanzielle Steuerung versus Sachsteuerung – Wie sollen Einrichtungen der Daseinsvorsorge gesteuert werden?
Raum: VG 2.101
Verschiedene Formen der finanziellen Steuerung (Fallpauschalen, Einzelleistungsabrechnung, Budgets inkl. Regionalbudgets) und ihre Wirkungen. Was ist Sachsteuerung? Unsere Vorstellungen zur Finanzierung des Gesundheitswesens.
Mit Thomas Böhm und Arndt Dohmen (Krankenhaus statt Fabrik)
11:30-13:15 Uhr
Markt/Konkurrenz/Zentralisierung versus alternative Strukturen und Bedarfsplanung
Raum: VG 2.101
Kritik der bestehenden ambulanten und stationären Strukturen. Ist „Ambulantisierung“ die Lösung und warum die jetzige Krankenhausplanung der Länder wenig mit dem Bedarf und viel mit Kostendämpfung zu tun hat. Kritik von Krankenhausschließungen, Zentralisierungen und Bettenabbau und was stattdessen notwendig ist. Unsere Vorstellungen zur Bedarfsplanung und zu einer bedarfsgerechten Versorgungskette.
Mit Achim Teusch und Dietmar Lange (Krankenhaus statt Fabrik) und Rainer Neef und Laura Valentukeviciute (Bündnis Klinikrettung)
13:15-14:30 Uhr Pause
14:30-15:00 Uhr
Raum: VG 2.101
Solidarische Gesundheitszentren – Versorgung und Aufbau von gesunden Gemeinschaften im Stadtteil
Das moderne Gesundheitssystem behandelt Symptome von Individuen – dabei werden soziale und emotionale Determinanten von Krankheit und Gesundheit in der Regel vernachlässigt. Solidarische Gesundheitszentren, die von und mit der Nachbarschaft gestaltet werden, bieten einen ganzheitlichen Gegenentwurf und wirken der Kommerzialisierung des Gesundheitssystems entgegen.
Mit Göttinger Gesundheitskollektiv
15:10-18:00 Uhr (mit Pause)
Kämpfe des Krankenhauspersonals und Kämpfe gegen Klinikschließungen
Raum: VG 2.101
In diesem Slot wird es Raum geben, die verschiedenen Gruppen und Initiativen vor Ort besser kennenzulernen und zu erfahren, was für Pläne für zukünftige Aktionen schon bestehen. Außerdem wollen wir uns erfolgreiche Kämpfe der Vergangenheit anschauen und gemeinsam auswerten, was funktionierende Aktionen sind und welche Bedingungen dafür erfüllt sein müssen. Dieser Rückblick soll als Grundlage für den Ausblick und die Planungen am folgenden Tag dienen.
Mit Lisa Schlagheck von der Krankenhausbewegung und Aktiven aus verschiedenen Initiativen
19:30 Uhr Abendveranstaltung – Expertengespräch
Aktuelle Projekte der neuen Bundesregierung zur Gesundheitsversorgung – bedarfsgerecht und krisenfest ja, „billig“ und kriegstüchtig nein!
Raum: Hörsaal 007
Die Reform der ambulanten und der Notfallversorgung, die Einführung von Leistungseinschränkungen und Zuzahlungen sowie die Ertüchtigung für den Kriegsfall stehen auf der Agenda der neuen Bundesregierung. Wir diskutieren über die Vorhaben der Regierung – die Sozialabbau betreibt und zugleich unsere Gesundheitsversorgung kriegstüchtig machen will – und darüber, welche sinnvollen Alternativen es dazu gibt.
Mit Gisela Neuenhöfer (ver.di), Nadja Rakowitz (vdää), Dr. med. Achim Teusch (Krankenhaus statt Fabrik) und Prof. Dr. Andreas Umgelter (Chefarzt Rettungstelle Reinickendorf)
Moderation: Jorinde Schulz (Bündnis Klinikrettung)
Samstag, 11. Oktober
Am Samstag nehmen wir uns Zeit für gemeinsame Planungen. Wie organisieren wir Widerstand gegen die Krankenhausreform und ihre Auswüchse?
09:30-16:00 Uhr (mit Pause)
Politische Eingriffs- und Interventionsmöglichkeiten
Raum: VG 2.101
An welchen Stellen können wir gezielt Veränderungen bewirken? Welche Forderungen sind dafür die richtigen? Wie lässt sich gemeinsam Druck aufbauen? Diese Fragen wollen wir strukturiert diskutieren, aufbauend auf unserem Wissen und den Diskussionen der vorherigen Tage.